EuGH, Urteil vom 21.03.2019 (C-245/18): Zur Haftungsbeschränkung bei der Ausführung eines Zahlungsauftrages | Payment Services Law Blog | GÖRG Blog

EuGH, Urteil vom 21.03.2019 (C-245/18): Zur Haftungsbeschränkung bei der Ausführung eines Zahlungsauftrages

In einem aktuellen Urteil vom 21. März 2019 zum Aktenzeichen C-245/18 hat sich der EuGH mit der in Art. 74 Abs. 2 der Zahlungsdienste-RL 2007/64/EG (nachfolgend nur: „ZDRL I“) enthaltenen Haftungsbeschränkung bei der Ausführung eines Zahlungsauftrages befasst, der in Übereinstimmung mit einem vom Zahlungsdienstnutzer angegebenen Kundenidentifikator ausgeführt wird, zugleich aber dieser Kundenidentifikator nicht mit dem vom Nutzer angegebenen Namen des Zahlungsempfängers übereinstimmt. Der EuGH hat entschieden, dass die Haftungsbeschränkung auf den Zahlungsdienstleister sowohl des Zahlers als auch des Empfängers anwendbar ist.

Inhalt der maßgeblichen Regelung in Art. 74 ZDRL I

Gemäß Art. 74 Abs. 1 ZDRL I gilt ein Zahlungsauftrag, der in Übereinstimmung mit dem Kundenidentifikator gemäß Art. 4 Nr. 21. ZDRL I („Kombination aus Buchstaben, Zahlen oder Symbolen, die dem Zahlungsdienstnutzer vom Zahlungsdienstleister mitgeteilt wird und die der Zahlungsdienstnutzer angeben muss, damit der andere am Zahlungsvorgang beteiligte Zahlungsdienstnutzer und/oder dessen Zahlungskonto zweifelsfrei ermittelt werden kann“) ausgeführt wird, im Hinblick auf den durch den Kundenidentifikator bezeichneten Zahlungsempfänger als korrekt ausgeführt.

Art. 74 Abs. 2 UAbs. 1 ZDRL I wiederum bestimmt, dass der Zahlungsdienstleister nicht gemäß Art. 75 ZDRL I für die fehlerhafte oder nicht erfolgte Ausführung des Zahlungsvorgangs haftet, wenn der vom Zahlungsdienstnutzer angegebene Kundenidentifikator fehlerhaft ist.

Entscheidung des EuGH zur Haftungsbeschränkung – weites Verständnis

Der EuGH hat nunmehr entschieden, dass die Haftungsbeschränkung in Art. 74 Abs. 2 UAbs. 1 ZDRL I für den Zahlungsdienstleister sowohl des Zahlers als auch des Empfängers gilt.

Er begründet dies wie folgt:

Bereits der Wortlaut der Vorschrift unterscheide nicht zwischen den verschiedenen Zahlungsdienstleistern. Aber auch der Kontext, in den sich diese Vorschrift einfüge, stütze dieses weite Verständnis der Norm, d. h. die Geltung der Haftungsbeschränkung für alle an einem Zahlungsvorgang beteiligten Zahlungsdienstleister.

Der Begriff des „Zahlungsvorgangs beschreibe eine umfassende und einheitliche Handlung zwischen dem Zahler und dem Zahlungsempfänger und nicht nur die einzelne Beziehung zu deren eigenen Zahlungsdienstleistern. Darüber hinaus belege ein Vergleich mit Art. 74 Abs. 2 UAbs. 2 ZDRL I das weite Verständnis. Denn die zuletzt genannte Vorschrift spreche vom „Zahlungsdienstleister des Zahlers“, was im Umkehrschluss bedeute, dass Art. 74 Abs. 2 UAbs. 1 ZDRL I, der keine solche Beschränkung auf einen bestimmten Zahlungsdienstleister enthalte, entsprechend weiter auszulegen sei. Ebenso weise der 48. Erwägungsgrund der ZDRL I allgemein darauf hin, dass die Haftung des Zahlungsdienstleisters auf die ordnungsgemäße Ausführung eines Zahlungsvorgangs gemäß dem vom Zahlungsdienstnutzer erteilten Auftrag beschränkt werden solle, ohne dabei zwischen den beiden Zahlungsdienstleistern zu unterscheiden. Die gefundene Auslegung werde ferner durch den 40. und den 43. Erwägungsgrund der ZDRL I gestützt. Danach solle die vollintegrierte und vollautomatisierte, effiziente und zügige Abwicklung von Zahlungen sichergestellt und verbessert werden. Dies werde nur erreicht, wenn Zahlungsdienstleister sowohl des Zahlers als auch des Empfängers von ihrer Verpflichtung befreit seien, den angegebenen Kundenidentifikator mit der als Zahlungsempfänger angegebenen Person zu überprüfen. Seien aber beide Zahlungsdienstleister von der Überprüfung befreit, müsse – gleichermaßen – auch die Haftungsbeschränkung für beide Zahlungsdienstleister gelten.

Relevanz für die ZDRL II

Art. 74 ZDRL I ist zwar gemäß Art. 114 S. 1 der Zweiten Zahlungsdienste-RL (EU) 2015/2366 (nachfolgend nur „ZDRL II“) mit Wirkung zum 13. Januar 2018 aufgehoben worden. In Art. 88 Abs. 1 und 2 ZDRL II finden sich aber Regelungen, die Art. 74 Abs. 1 und Abs. 2 UAbs. 1 ZDRL I entsprechen. Die Entscheidung des EuGH ist demnach auch unter der Geltung der ZDRL II von Bedeutung.

Umsetzung und Übertragbarkeit auf das deutsche Recht

Der deutsche Gesetzgeber hat in § 675r Abs. 1 S. 2 BGB und in § 675y Abs. 5 S. 1 BGB (vor ZDRL II: § 675y Abs. 3 S. 1 BGB a. F.) entsprechende Regelungen getroffen, um die Vorgaben der ZDRL I (und ZDRL II) umzusetzen. Demnach ist die Auslegung des EuGH, die im Ausgangspunkt ein Verfahren vor italienischen Gerichten betraf, auch für das deutsche Recht maßgeblich.

Die Regelung in § 675y Abs. 5 S. 1 BGB betrifft insofern zwar in ihrem Anwendungsbereich lediglich das Verhältnis zwischen dem Zahler und seinem Zahlungsdienstleister. Denn die Vorschrift schließt im Falle der Ausführung eines Zahlungsauftrages in Übereinstimmung mit einer vom Zahlungsdienstnutzer angegebenen fehlerhaften Kundenkennung (Kundenidentifikator im Sinne der ZDRL I und ZDRL II) die Ansprüche nach § 675y Abs. 1 S. 1 und 2 sowie Abs. 2 S. 2 BGB aus. Die zuletzt genannten Vorschriften regeln aber nur Ansprüche des Zahlers gegen seinen Zahlungsdienstleister.

Dennoch gilt auch für das Verhältnis zwischen dem Zahlungsempfänger und seinem Zahlungsdienstleister die vom EuGH nun festgestellte Rechtslage. Das folgt aus § 675r Abs. 1 S. 2 BGB. Dieser regelt, dass ein Zahlungsvorgang im Hinblick auf den durch die Kundenkennung bezeichneten Zahlungsempfänger als ordnungsgemäß ausgeführt gilt, wenn ein Zahlungsauftrag in Übereinstimmung mit dieser Kundenkennung ausgeführt wird. Die Regelung ist Art. 74 Abs. 1 ZDRL I bzw. Art. 88 Abs. 1 ZDRL II nachgebildet, betrifft demnach – bestätigt nunmehr durch den EuGH – ebenfalls Zahlungsdienstleister sowohl von Zahlern als auch von Zahlungsempfängern. Aus § 675r Abs. 1 S. 2 BGB folgt, dass die Ausführung in Übereinstimmung mit einer vom Zahlungsdienstnutzer angegebenen Kundenkennung nicht als Pflichtverletzung angesehen werden kann. Deshalb haften die betreffenden Zahlungsdienstleister auch dann nicht, wenn der Auftrag in Übereinstimmung mit einer vom Zahlungsdienstnutzer angegebene fehlerhafte Kundenkennung ausgeführt wird. Da der Zahlungsdienstleister sowohl des Zahlers als auch des Zahlungsempfängers von § 675r Abs. 1 S. 2 BGB erfasst ist, gilt auch für beide die sich daraus ergebende Haftungsbeschränkung.

Vor diesem Hintergrund dürfte die Regelung in § 675y Abs. 5 S. 1 BGB, die genau die Konstellation der fehlerhaften Kundenkennung im Sinne von § 675r Abs. 1 S. 2 BGB betrifft, denn auch nur klarstellenden Charakter haben.

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