EU-Russland-Belarus-Sanktionen für Banken und andere Zahlungsdienstleister - Legal Update #3/2022 | Payment Services Law Blog | GÖRG Blog

EU-Russland-Belarus-Sanktionen für Banken und andere Zahlungsdienstleister - Legal Update #3/2022

Die EU hat als Reaktion auf den Angriffskrieg in der Ukraine weitreichende Finanz- und Handelssanktionen gegenüber Russland und Belarus verhängt. In vielen Bereichen werden hierbei auch Zahlungsdienstleister in die Pflicht genommen. Einige Sanktionsvorschriften, wie z.B. das Verfügungsverbot („Einfrieren von Geldern“) nach Art. 2 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 269/2014 (EU-Russland-Embargo I-VO), sind in ihrer Struktur bereits bekannt und ihre Einhaltung sollte Zahlungsdienstleister – zumindest in einfach gelagerten Fällen – vor keine größeren rechtlichen oder praktischen Probleme stellen.

Jenseits davon enthalten die Sanktionsregime aber auch eine Reihe neuartiger Aspekte, welche vielgestaltige rechtliche und praktische Umsetzungsfragen aufwerfen.

Um einige dieser Fragen soll es im Folgenden gehen:

Rechtliche Grundlagen der EU-Russland-Belarus-Sanktionen

Im Wesentlichen finden sich die Sanktionen in drei Basisverordnungen, die jeweils laufend durch Änderungsverordnungen ergänzt und angepasst werden. Das ist einmal die bereits genannte EU-Russland-Embargo I-VO, welche personenbezogenen Finanzsanktionen, insbesondere das Verfügungsverbot („Einfrieren von Geldern“) und das Bereitstellungsverbot, enthält. Zum anderen ist das die Verordnung (EU) Nr. 833/2014 (EU-Russland-Embargo II-VO), welche sektorale Handelsbeschränken und Beschränkungen des EU-Kapital- und Finanzmarktes sowie des Zahlungsverkehrs enthält. Für Belarus gelten weitestgehend identische Vorschriften nach der Basisverordnung (EG) Nr. 765/2006 (EU-Belarus-Embargo-VO)(1).

Prüfungspflicht auch in Bezug auf Handelssanktionen nach EU-Russland-Embargo II-VO?

Für deutsche Zahlungsdienstleister stellt sich die grundsätzliche Frage, inwieweit sie verpflichtet sind, Zahlungseingänge und -ausgänge aus bzw. nach Russland und Belarus dahingehend zu prüfen, ob die Zahlung für ein nach der EU-Russland-Embargo II-VO verbotenes Handelsgeschäft erfolgt.

Zwar spricht der Wortlaut der Handelsbeschränkungen der EU-Russland II-VO tendenziell gegen eine solche Verpflichtung. Dennoch bieten die zu einer früheren Fassung der EU-Russland-Embargo-II-VO in Sachen „Rosneft“ ergangene Entscheidung des EuGH (Urt. v. 28.03.2017 – C-72/15) sowie Ausführungen der EU Kommission in dem „Leitfaden über die Anwendung bestimmter Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 833/2014“ Grund für die Annahme, dass die Abwicklung von Zahlungen für nach der EU-Russland-Embargo II-VO verbotene Handelsgeschäfte ebenfalls verboten ist.

Begriff der „Kontrolle“ und des Eigentums- und Besitz von Geldern i.S.d. Art. 2 Abs 1 EU-Russland-Embargo I-VO

Im Rahmen des Verfügungsverbots nach Art. 2 Abs. 1 EU-Russland-Embargo I-VO stellt sich immer wieder die Frage, wann eine juristische Person oder eine Organisation von einer gelisteten Person oder Organisation im sanktionsrechtlichen Sinne „kontrolliert“ wird.

Unklarheiten ergeben sich hier bzgl. der Reichweite des Begriffs „Kontrolle“. So ist beispielsweise fraglich, ob sich Sanktionen gegen einen Geschäftsführer auf das Unternehmen selbst, dessen Tochtergesellschaften und auf dort tätige Geschäftsführer auswirken kann. Auch kann die Beurteilung der Kontrolle Schwierigkeiten bereiten, wenn es darum geht, ob verschiedene Anteile von sanktionierten Aktionären einer Gesellschaft, die selbst nicht sanktioniert ist, zusammengerechnet werden können und deshalb von einer gemeinsamen „Kontrolle“ auszugehen ist.

In Einzelfällen kann auch die Frage, ob eine sanktionierte Person überhaupt „Eigentum oder Besitz“ an Geldern i.S.d. § 2 Abs. 1 EU-Russland-Embargo I-VO hat, problematisch sein. Dieses Problem stellt sich beispielsweise, wenn es um die Ausführung von ausgehenden Überweisungen an eine sanktionierte Bank als Zahlungsdienstleister eines nicht sanktionierten Zahlungsempfängers geht. In diesem Fall muss die Frage beantwortet werden, ob der sanktionierte Zahlungsdienstleister durch Entgegenname der Zahlung und Gutschrift auf dem Konto des Zahlungsempfängers „Eigentum oder Besitz“ an den Geldern erhält.

Eröffnung von Konten durch russische und belarussischen Staatsangehörige

Für Zahlungsdienstleister ergeben sich Schwierigkeiten bei Beurteilung der sie nach § 31 ZKG grundsätzlich treffenden Pflicht zur Eröffnung eines Bankkontos bei russischen oder belarussischen Staatsangehörigen. Neben der je nach Aufenthaltsstatus des Antragstellers unterschiedlich zu bewertenden gesetzlichen Verpflichtung müssen die konkreten Auswirkungen der EU-Russland-Embargo I-VO, EU-Russland-Embargo II-VO bei einer Kontoeröffnung durch russische oder belarussische Staatsangehörige besonders auch hinsichtlich des statuierten Umgehungsverbots berücksichtigt werden. Diese Problematik wird durch die in der EU-Russland-Embargo II-VO vorgesehene Begrenzung der Einlage von russischen bzw. belarussischen Staatsangehörigen von max. EUR 100.000 noch weiter verschärft.

Einstellung des gesamten Zahlungsverkehrs mit Russland und Belarus zulässig?

Im Zusammenhang mit den von der EU seit Februar 2022 verhängten Sanktionspaketen, haben sich einige Banken dazu entschieden, den gesamten Zahlungsverkehr mit Russland und Belarus einzustellen. Aus den Sanktionsvorschriften ergibt sich eine solch generelle Verpflichtung der Zahlungsdienstleister nicht. Soweit Zahlungsdienstleister dennoch die geschäftspolitische Entscheidung treffen, den gesamten Zahlungsverkehr mit Russland und Belarus einzustellen, sollten im Rahmen einer Risiko-Nutzen-Abwägung auch mögliche Schadensersatzansprüche der Kunden aufgrund nicht erfolgter Ausführung von Zahlungsvorgängen berücksichtigt werden. Inwieweit solche Schadensersatzansprüche von Kunden geltend gemacht werden können, hängt maßgeblich von den Vereinbarungen in den einschlägigen Kunden-AGB ab bzw. davon, inwieweit vor Einstellung des Zahlungsverkehrs eine entsprechende Änderung der Kunden-AGB wirksam vereinbart werden kann.

Sperrung der Kreditkarten von Kunden mit Gebietsansässigkeit in Russland und Belarus

Gleiches gilt für die Kreditkartensperrung von Kunden mit Gebietsansässigkeit in Russland und Belarus. Eine generelle Pflicht zur Sperrung von Kreditkarten von Kunden mit Gebietsansässigkeit in Russland und Belarus ist in den Sanktionsregimen nicht vorgesehen. Eine Sperrung kommt nur dann in Betracht, wenn Sanktionsvorschriften ein Verbot statuieren, welches die Sperrung im Einzelfall erforderlich macht. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Kunde eine sanktionierte Person nach Anlage I der EU-Russland-Embargo I-VO ist. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann für das Kreditkartenkonto auch das Verbot der Leistung einer Gesamteinlagensumme von über EUR 100.000 gelten, vgl. Art. 5b Abs. 1 EU-Russland-Embargo II-VO.

Zahlungsdienstleister sollten berücksichtigen, dass eine Sperrung von Kreditkarten ohne sanktionsrechtliche Grundlage Schadensersatzansprüche des Kunden aufgrund nicht erfolgter Ausführung eines Zahlungsauftrags begründen kann.

(1) Da die Sanktionsvorschriften der EU-Russland-Embargo I-und II-VO und die der EU-Belarus-Embargo-VO weitestgehend identisch sind, wird im Folgenden der Einfachheit halber nur auf die Vorschriften der EU-Russland-Embargo I- und II-VO verwiesen, soweit nicht in der EU-Belarus-Embargo-VO etwas Anderes geregelt ist.

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