Der Sachverhalt
Der Europäische Gerichtshof hatte sich im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens mit Fragen im Zusammenhang mit der Zulässigkeit einer von der T‑Mobile Austria GmbH verwendeten AGB-Klausel auseinanderzusetzen (Urt. vom 9.4.2014 – Az.: C-616/11). Die AGB von T-Mobile Austria enthielten eine Klausel, nach der für Zahlungen über Zahlschein oder Telebanking ein Bearbeitungsentgelt erhoben wurde. Geklagt hatte hiergegen der Verein für Konsumenteninformation. Die Zahlungsdiensterichtlinie (RL 2007/64/EG, ZDRL) gibt den Mitgliedstaaten gem. Art. 52 Abs. 3 ZDRL die Möglichkeit, Zahlungsempfängern zu untersagen, vom Zahler für die Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments ein Entgelt zu verlangen. Nach dem österreichischen Umsetzungsgesetz zur ZDRL ist die Erhebung von Entgelten durch den Zahlungsempfänger im Falle der Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments unzulässig. Das österreichische Gericht legte dem EuGH drei Vorlagefragen zur Entscheidung vor.
Die Entscheidung
Der EuGH stellt in seinem Urteil klar, dass Art. 52 Abs. 3 ZDRL auch für die Nutzung eines Zahlungsinstruments im Rahmen des Vertragsverhältnisses zwischen einem Mobilfunkbetreiber als Zahlungsempfänger und seinem Kunden als Zahler Anwendung findet, auch wenn die ZDRL grundsätzlich das Verhältnis zwischen Zahlungsdienstleister und Zahlungsdienstnutzer regelt.
Weiter legt der EuGH den Begriff “Zahlungsdienste” i.S.d. Art. 4 Nr. 23 ZDRL so aus, dass dieser auch eigenhändig unterschriebene Zahlscheine zur Erteilung eines Überweisungsauftrages sowie das Verfahren zur Erteilung eines Überweisungsauftrags im Onlinebanking umfasst.
Schließlich stellt der EuGH klar, dass die Befugnis der Mitgliedstaaten in der ZDRL, dem Zahlungsempfänger die Erhebung eines Entgeltes für die Nutzung eines Zahlungsinstruments zu verlangen, den Mitgliedstaaten auch dann einen weiten Ermessensspielraum einräumt, wenn eine solche Regelung nur getroffen werden kann, sofern dies der Förderung des Wettbewerbs und der Nutzung effizienter Zahlungsinstrumente dient.
Bedeutung und Folgen für die Praxis
Der Sachverhalt ist auf das deutsche Recht nicht unmittelbar übertragbar, da das deutsche Umsetzungsgesetz zur ZDRL von der Möglichkeit zur Untersagung von Entgelten durch Händler keinen Gebrauch gemacht hat. Dass die ZDRL auch auf das Verhältnis zwischen Zahlungsempfänger und Zahler Anwendung findet, ist angesichts des klaren Wortlautes der Vorschrift der ZDRL nicht überraschend, ebenso wenig, dass Mitgliedstaaten bei der Nutzung von ihnen in Richtlinien eingeräumten Optionen einen weiten Ermessensspielraum haben.
Interessant und überraschend ist aber die Auslegung des EuGH der Definition des Zahlungsinstrumentes (durch den deutschen Gesetzgeber ins ZAG und BGB übertragen als „Zahlungsauthentifizierungsinstrument“). Der EuGH nimmt an, dass ein Zahlungsinstrument auch einen nicht personalisierten Verfahrensablauf erfassen kann, der zwischen dem Nutzer und dem Zahlungsdienstleister vereinbart wurde und der vom Nutzer eingesetzt werden kann, um einen Zahlungsauftrag zu erteilen. Nach Auffassung des EuGH handelt es sich sowohl bei der Unterschrift auf einem Zahlschein als auch bei personalisierten Nummern wie Identifikationsnummern, Geheimnummern oder Transaktionsnummern im Onlinebanking um solche vereinbarten Verfahrensabläufe zur Erteilung eines Überweisungsauftrages. Bei dem Zahlscheinverfahren könne die Bank den Zahlungsauftrag authentifizieren, indem sie die Unterschrift auf dem Zahlschein mit der vom Zahler bei ihr hinterlegten Unterschrift abgleiche.
Die Auslegung des Begriffs “Zahlungsinstrument” durch den EuGH widerspricht der ganz überwiegend in der deutschen rechtswissenschaftlichen Literatur zum Begriff des “Zahlungsauthentifizierungsinstruments” vertretenen Auffassung. Die deutsche Literatur geht ganz überwiegend davon aus, dass ein Zahlungsauthentifizierungsinstrument ein personalisiertes Sicherheitsmerkmal voraussetze, zu dem etwa PIN/TAN-Verfahren zählen, nicht aber die beleggebundene Unterschrift auf Überweisungsträgern. Daher würde nach vorwiegend in der deutschen Literatur vertretenem Verständnis das im Urteil angesprochene Telebanking-Verfahren, nicht aber das Zahlscheinverfahren als Zahlungsinstrument anzusehen sein. Auch die deutsche Regierung vertrat in dem Gerichtsverfahren diese Interpretation.
Das Urteil des EuGH wirft einige neue Fragen auf und zieht über den Sachverhalt des Urteils hinausgehende Konsequenzen nach sich. Der Begriff des Zahlungsauthentifizierungsinstruments ist entsprechend der Interpretation des Zahlungsinstruments durch den EuGH zu bestimmen. Dann bestehen für Zahlungsdienstleister erweiterte Informationspflichten nach dem EGBGB, die auf Zahlungsauthentifizierungsinstrumente Bezug nehmen. Der Zahler muss unverzüglich anzeigen, wenn er Kenntnis von eine missbräuchlichen Nutzung des Überweisungsverfahrens erlangt. Allerdings scheint der EuGH im Urteil zu vertreten, dass nicht alle Zahlungsinstrumente die Verwendung personalisierter Sicherheitsmerkmale beinhalten und dass die Unterschrift des Zahlers auch kein solches personalisiertes Sicherheitsmerkmal darstellt. Bei diesem Verständnis würden auch die Haftungsvorschriften des BGB bei unsorgfältiger Verwahrung personalisierter Sicherheitsmerkmale bei Überweisungen mit Unterschrift nicht eingreifen. Dies ist auch interessengerecht, da der Zahler praktisch nicht verhindern kann, dass ein Dritter seine Unterschrift zur Kenntnis nimmt. Fraglich bleibt hingegen, wie sich ein Zahlungsdienstleister verhalten soll, wenn der Zahler ihm die missbräuchliche Nutzung des beleggebundenen Überweisungsverfahrens anzeigt – dann müsste er nach dem Wortlaut des Gesetzes jede Nutzung des Zahlungsauthentifizierungsinstruments verhindern.