Banken und Zahlungsdienstleister und das Änderungsklausel-Urteil des BGH | Payment Services Law Blog | GÖRG Blog

Banken und Zahlungsdienstleister und das Änderungsklausel-Urteil des BGH

Erste Gedanken

Die BaFin hatte bereits vor Veröffentlichung der Urteilsgründe verkündet, dass dieses Urteil die Finanzbranche Milliarden kosten werde. Es kann sicherlich als Erdrutsch bezeichnet werden. Ganz unerwartet kommt das Urteil nicht.

Worum geht es?

Der BGH hat mit seinem am 27. April 2021 verkündeten Urteil, dessen Begründung seit gestern (8. Juni 2021) veröffentlicht ist, die AGB-Änderungsklauseln der vom Bundesverband Deutscher Banken empfohlenen Banken-AGB für unwirksam erklärt. Mit diesen AGB-Änderungsklauseln haben Banken in der Vergangenheit Preise für Zahlungs- und sonstige Bankdienstleistungen angepasst oder Zinsen erhöht und gesenkt. Hiermit wurden auch neue Pflichten des Kunden eingeführt, so z.B. die Pflichten zur starken Kundenauthentifizierung und neue Sorgfaltspflichten zur Aufbewahrung von Passwörtern. Banken und Zahlungsdienstleister haben diese AGB-Änderungsklauseln verwendet, um insgesamt ihre Allgemeinen und auch ihre Besonderen Geschäftsbedingungen (z.B. für den Wertpapierhandel) an aktuelle Entwicklungen anzupassen.

Die Grundregel sah dabei in Anlehnung an die Möglichkeiten, die die EU-Zahlungsdiensterichtlinie (PSD1 und PSD2) für Zahlungsdiensterahmenverträge (z.B. Verträge über Zahlungskonten oder Verträge über Kreditkartenausgabe) eröffnete, folgendes Prozedere vor: Der Kunde wurde spätestens 2 Monate vor Inkrafttreten über eine Neuregelung der AGBs informiert. Er hatte ein Widerspruchsrecht, worauf er gesondert hingewiesen wurde. Wenn er nicht widersprach, galt seine Zustimmung als erteilt. Zudem stand dem Kunden das Recht zur fristlosen und kostenfreien Kündigung des Vertrages zu.

Die Unwirksamkeit!

Der BGH hat diesen sehr einfachen und handlichen Anpassungsmechanismus für unwirksam erklärt. Das Urteil vom 27. April 2021 hat schon bei seiner Verkündung ein Beben in der Bankenbranche und darüber hinaus ausgelöst.

Für welche AGB-Werke gilt diese Unwirksamkeit? Weit über Banken-Branche hinaus.

Klar ist, dass die Entscheidungsgründe sowohl sämtliche üblicher Weise gleich lautenden Vertragsänderungsklauseln in Banken-AGB, das heißt in Allgemeinen wie auch in den Besonderen Geschäftsbedingungen, betreffen. Obschon das Urteil durch den 11. Senat des BGH, den Banken-Senat, gefällt wurde, dürfte die Reichweite weit über diese Branche hinausgehen und beispielsweise auch Bedingungen für Abonnement-Dienste oder sonstige Dauerschuldverhältnisse betreffen, in denen solche Änderungsklauseln verwendet wurden.

Gegenüber welchen Kunden gilt diese Unwirksamkeit? Nur bei Verbrauchern.

Der BGH hat zwar sein Urteil nicht ausdrücklich darauf beschränkt. Den Entscheidungsgründen ist jedoch zu entnehmen, dass die Unwirksamkeit zunächst nur für Klauseln gilt, die gegenüber Verbrauchern verwendet wurden. Hierauf stellt der BGH ganz wesentlich ab: Die Klausel laufe gerade gegenüber ungewandten Verbrauchern tatsächlich auf eine einseitige, inhaltlich nicht begrenzte Änderungsbefugnis hinaus. Der BGH spricht kurz zuvor in seiner Begründung von „Lethargie, Desinteresse, intellektueller Überforderung, Unbeholfenheit, Krankheit“ von Verbrauchern.

Das Urteil schweigt sich über die Verwendung der Klausel im unternehmerischen Verkehr aus. Hier besteht Hoffnung.

Gibt es wirksame Vertragsänderungsklauseln? Für Nebenbestimmungen schon.

Klar sagt das höchste deutsche Zivilgericht, dass Änderungen, die unmittelbar die vertraglichen Hauptleistungspflichten treffen, oder solche, die Entgelte für Hauptleistungen betreffen, nicht über eine ähnlich geartete AGB-Änderungsklausel mit einer Zustimmungsfiktion legitimiert werden können. Für solche Änderungen verlangt der BGH zukünftig einen Änderungsvertrag. Dazu später.

Über die Hauptleistungspflichten hinaus gilt dieses Erfordernis nach Ansicht des BGH auch für jedwede weitreichenden, die Grundlagen der rechtlichen Beziehungen der Parteien betreffenden Änderungen, die dem Abschluss eines neuen Vertrags gleichkommen können.

Im Umkehrschluss bedeutet dies: Für Nebenleistungen und für Entgelte für Nebenleistungen kann es Vertragsänderungsklauseln geben. Dabei dürfte der Terminus Hauptleistungspflichten nicht so weit gehen, wie der vom BGH in den 1980er Jahren geprägte Terminus der „Kardinalpflichten“. Denn der BGH stellt ja die Änderungen gleich, die die Grundlagen der Rechtsbeziehung betreffen. Für Zahlungsdienstleister dürften deshalb vertragliche Pflichten zur Erbringung der in § 1 Abs. 1 Satz 2 ZAG geregelten Zahlungsdienste nicht über eine Änderungsklausel abänderbar sein. Auch die Einführung neuer Zahlungsinstrumente, z.B. eine NFC-Funktionalität einer Zahlkarte – so das DenizBank-Urteil des EuGH – dürfte nicht ohne Änderungsvertrag möglich sein.

Eine AGB-Änderungsklausel, daran lässt der BGH keinen Zweifel, muss in Zukunft in diesem Sinn ausreichend gegenständlich eingeschränkt sein.

Wie ist es speziell für Zahlungsdiensteverträge? Der BGH hatte allgemein über AGB-Banken zu urteilen.

Der BGH hat in seiner Entscheidung die AGB-Banken geurteilt. Diese betreffen die gesamte Geschäftsbeziehung zwischen Banken und ihren Kunden. Zwar hat sich der BGH in dem Urteil auch intensiv mit der Wirkung des § 675g BGB auseinandergesetzt. Die speziellen Implikationen der EU-Zahlungsdiensterichtlinie, die Wirkung der darauf fußenden Spezialregelung für Zahlungsdiensteverträge im Besonderen war jedoch nur am Rande Gegenstand der Entscheidung. Hier fällt sehr intensiv ins Gewicht, dass der Gesetzgeber den Zahlungsdienstleistern einen speziellen Änderungsmechansimus an die Hand geben wollte, um auf sich ändernden Rahmenbedingungen - auch im Sinn eines Risikomanagements der Zahlungsdienstleister - reagieren zu können. Denn die EU-Zahlungsdiensterichtlinie enthält ja sowohl zivilrechtliche, verbraucherschutzrechtliche als auch aufsichtsrechtliche Maßgaben für Zahlungsdienstleister. Diese Implikationen und auch die vollharmonisierende Wirkung der EU-Zahlungsdiensterichtlinie einschließlich ihres wichtigsten Ziele, Herstellung einheitlicher Bedingungen für Zahlungsdienstleister im EU-Binnenmarkt - sind im Urteil nicht wirklich umfassend bedacht und in die Abwägung des BGH einbezogen worden.

Es spricht deshalb viel dafür, dass AGB-Änderungsklauseln in Zahlungsdiensteverträgen von dem Urteil nicht vollumfänglich erfasst sind. Insbesondere die Differenzierung des BGH zwischen Hauptleistungspflichten und Entgelten für Hauptleistungen einerseits und sonstigen Bedingungen andererseits dürfte für Zahlungsdiensteverträge nicht anwendbar sein.

Wie konkret muss ich den Anlass der Änderung formulieren?

Der BGH betont an mehreren Stellen, dass der Verbraucher vorhersehen können muss, aus welchen triftigen Gründen die Bank die Änderung der Bedingungen nach der Vertragsänderungsklausel durchführen darf. Die Änderungsklausel müsse konkretisiert sein.

Hier dürften die Gedanken zur Interessenabwägung des § 308 Nr. 4 BGB und des Nr. 1 Buchstaben j), k) und l) und Nr. 2 Buchstabe b) des Anhangs zur EU-Klauselrichtlinie einzubeziehen sein. Zudem müssen solche Klauseln auch dem Transparenzgebot genügen. Das ist nicht einfach und in den früheren Urteilen des BGH und der Instanzgerichte finden sich leider deutlich mehr Beispiele für Anpassungsklauseln, die aus einem der genannten Gründe für unwirksam erklärt wurden, als wirksame.

Wie kann ich zukünftig Hauptleistungspflichten (außerhalb von Zahlungsdiensteverträgen) ändern? Änderungskündigung mit stillschweigender Zustimmung?

Wenn man den Überlegungen zustimmt, dass die BGH-Entscheidung für AGB-Banken allgemein erging und nicht für Zhalungsdiensteverträge, dann steht sich für andere Bedingungswerke als Zahlungsdiensteverträge die Frage der alternativen Änderungsmöglichkeit, insbesondere wenn es um Hauptleistungspflichten geht. Hierfür verlangt der BGH einen Änderungsvertrag. Die Bank muss also dem Verbraucher die Änderung, z.B. die Einführung eines Entgeltes für die Kontoführung, anbieten. Der Verbraucher muss dem zustimmen. Will er das nicht, hat die Bank die Möglichkeit einer Kündigung.

Kann die Bank dem Verbraucher eine Änderungskündigung anbieten, also eine Kündigung aussprechen mit dem Angebot des Neuabschlusses zu den veränderten Bedingungen? Das geht selbstverständlich.

Die wesentliche Frage dabei ist allerdings, ob der Verbraucher auch dann an die neuen Bedingungen gebunden ist, wenn er schweigt und einfach die Leistungen (z.B. das Girokonto oder die Kreditkarte) weiter nutzt. Immerhin weist der BGH in der aktuellen Entscheidung für die von ihm geforderte Änderungsvereinbarung auf die Grundsätze der Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Verträge hin (§ 305 Abs. 2 BGB), z.B. durch Aushang. Solche konkludenten Annahmen einer Änderung hat die Rechtsprechung bisher allerdings sehr zurückhaltend beurteilt und nur bei sehr langer Dauer (Nutzung nach Änderung über mehrere Jahre) bei Energieversorgungsverträgen einmal gelten lassen.

Was passiert mit den bestehenden Änderungsklauseln?

Den Banken ist dringend zu raten, Änderungsklauseln, die dem angegriffenen Muster der Nr. 1(2) und Nr. 12(5) AGB-Banken entsprechen, aus ihren Bedingungswerken zu entfernen. Denn zum einen können Verbraucherschutzvereine sie auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Auch dürfte die BaFin gehalten sein, ihrer Verpflichtung zum Verbraucherschutz folgend, auf eine Löschung dieser Klauseln bei den ihrer Aufsicht unterstehenden Instituten hinzuwirken.

Dies dürfte nicht zwingend im gleichen Umfang für Änderungsklauseln in Zahlungsdienstverträgen gelten; diese dürften allenfalls im Hinblick auf die Änderungsgründe zu konkretisieren sein.

Wie kann ich neue AGB-Änderungsklauseln einführen?

Da die bestehenden Änderungsklauseln nach dem Urteil des 11. Senats unwirksam sind, können auf dieser Basis auch nicht neue Änderungsklauseln eingeführt werden. Banken und Zahlungsdienstleister sind hier auf eine Änderungsvereinbarung angewiesen.

Erste Kritik an dem Urteil des BGH

Aus Sicht des deutschen AGB-Rechts ist das Urteil des BGH noch näher zu beleuchten. Es sollte dabei aber nicht übersehen werden, dass die Verfasser der angegriffenen Klauseln sich auf zwei Bestimmungen der Zahlungsdiensterichtlinie (PSD1 und PSD2) gestützt und damit in Sicherheit gewähnt haben.

Der BGH fühlte sich aufgrund des wenige Monate zuvor ergangenen Deniz-Bank-Urteils des Europäischen Gerichtshofs dazu ermächtigt, diesen Schritt der Klauselkontrolle zu gehen. Der EuGH hatte nämlich festgestellt, dass die Bestimmungen der vollharmonisierenden EU-Zahlungsdiensterichtlinie einer Anwendung von auf Basis der EU-Klauselrichtlinie ergangenem Verbraucherschutz nicht entgegenstünden. In dem Urteil weist der EuGH sogar ausdrücklich darauf hin, dass die (mindestharmonisierende) EU-Klauselrichtlinie in den Mitgliedstaaten unterschiedlich streng umgesetzt sei.

Was aber in der Entscheidung des BGH sehr deutlich wird, ist ein dem Verbraucherbild der EU-Zahlungsdiensterichtlinie diametral entgegenstehendes Bild des ungewandten Verbrauchers. Dieser sei auch gegen seine eigene – so der BGH - Lethargie, sein Desinteresse, seine intellektuelle Überforderung und seine Unbeholfenheit zu schützen. Die EU-Zahlungsdiensterichtlinie schützt dagegen den Verbraucher durch umfassende Informationspflichten des Zahlungsdienstleisters und Aufklärung des Verbrauchers über Gefahren und Kosten. Sie fordert dessen Mitdenken und Aufmerksamkeit.

Es kommt eines hinzu. Das wesentliche Ziel der vollharmonisierenden EU-Zahlungsdiensterichtlinie ist es, einheitliche Bedingungen für Zahlungsdienstleister im EU-Binnenmarkt zu schaffen. Es spricht viel dafür, dass die Gesetzgeber der PSD1 und der PSD2 den Zahlungsdienstleistern durch den Vertragsänderungsmechanismus ein wirksames Instrument für von Zeit zu Zeit unabdingbare Änderungen ihrer Bedingungswerke in die Hand geben wollten. Ein solcher Vertragsänderungsmechanismus muss als wesentlicher Faktor einer sorgsamen Governance und eines angemessenen Risikomanagements eines Instituts angesehen werden. Denn das beaufsichtigte Institut muss sich gegen sich ändernde Marktbedingungen ausreichend schützen. Der AGB-Anpassungsklausel kommt eine für die Administration des Instituts wesentliche Wirkung zu.

Dabei soll nicht übersehen werden, dass der BGH sicherlich zu recht die unbegrenzte Änderungsmacht der Banken und Zahlungsdienstleister auf Basis der bisherigen Formulierungen der AGB-Änderungsklausel anprangert. Denn, so der EuGH in der DenizBank-Entscheidung zurecht, der Verbraucherschutz steht gleichrangig neben den übrigen Regelungszielen der EU-Zahlungsdiensterichtlinie. Eine Konkretisierung der aktuellen AGB-Änderungsklauseln ist unumgänglich.

Diese Einschränkung kann aber für Zahlungsdiensteverträge entsprechend den Zielen der EU-Zahlungsdiensterichtlinie nicht soweit gehen , dass damit nur noch Nebenleistungen und Entgelte für Nebenleistungen verändert werden dürfen. Die freilich nur mindest-harmonisierende EU-Klauselrichtlinie erlaubt in Nr. 1 Buchstabe k) die Veränderung von Hauptleistungspflichten und in Buchstabe l) ihres Anhangs auch die Veränderung von Entgelten für Hauptleistungen. Die deutsche Rechtsprechung ist darüber weit hinausgegangen.

Sollte der BGH Gelegenheit erhalten, über eine Änderungsklausel in einem Zahlungsdienstevertrag zu urteilen, wird er sich sehr viel umfassender mit den Zielen der EU-Zahlungsdiensterichtlinie auseinandersetzen müssen. Sollte er nicht selbst zu der Überzeugung gelangen, dass diese Ziele eine deutlich andere Bewertung von Änderungsklauseln in Zahlungsdienstverträgen zur Folge haben, insbesondere was die Änderung von Hauptleistungspflichten und Entgelten für Hauptleistungen angeht, so müsste der BGH diese Frage dem Europäischen Gerichtshof vorlegen. Zu erwägen ist zudem, ob die aufgezeigte Diskrepanz zwischen der deutschen AGB-Rechtsprechung und den grundlegenden Regelungsanliegen der europäischen EU-Zahlungsdiensterichtlinie nicht dezidiert über den europäischen oder den deutschen Gesetzgeber zu lösen ist.

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