Der zweite Teil der 3-teiligen Serie zum neuen AML-Paket beschäftigt sich mit den neuen Auslösetatbeständen für die Kundensorgfaltspflichten nach der europäischen Geldwäscheverordnung (Verordnung (EU) 2024/1624 vom 31. Mai 2024 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems für Zwecke der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung) ("AML-VO") oder kurz gesagt mit der Frage: Was muss vorliegen, um die Sorgfaltspflichten nach der AML-VO auszulösen?
Gemeinsam mit consalty haben wir die finale verabschiedete Fassung (EU) 2024/1624) vom 31.05.2024 analysiert und die zentralen Sachverhalte herausgearbeitet. Die genaue Betrachtung der neuen Auslösetatbestände ist elementar: Nur wer genau weiß, wann er die Sorgfaltspflichten erfüllen muss, kann einerseits etwaigen Bußgeldzahlungen entgehen und spart sich andererseits wichtige Ressourcen, indem er nicht unfreiwillig „übererfüllt“.
Die Systematik der Auslösetatbestände im Überblick
Auch das EU AML-Paket – und hier insbesondere die neue AML-VO – erfindet das Rad der Auslösetatbestände nicht neu. Dem Grunde nach bleibt es dabei, dass nicht sämtliche, sondern nur besonders risikobehaftete Geschäftstypen oder Transaktionen Sorgfaltspflichten für den geldwäscherechtlich Verpflichteten (siehe zu diesem bereits Teil 2 dieser Serie) auslösen.
Diese Tatbestände lassen sich ihrem Typ nach in drei verschiedene Kategorien einteilen: Sorgfaltspflichten bei
1. der Begründung einer Geschäftsbeziehung,
2. gelegentlichen Transaktionen und
3. sonstigen Tatbeständen.
Die Begriffe der Geschäftsbeziehung und der gelegentlichen Transaktion(en) stehen sich dabei in einem Exklusivitätsverhältnis gegenüber: Alle Transaktionen, die in einer zumindest beabsichtigten Regelmäßigkeit oder Dauer innerhalb einer geschäftlichen Beziehung erfolgen, sind Teil einer Geschäftsbeziehung im Sinne der AML-VO, alle, bei denen dies nicht der Fall ist, sind gelegentliche Transaktionen (was nicht heißt, dass jede gelegentliche Transaktion Sorgfaltspflichten auslöst – dazu gleich mehr).
Die Begründung einer Geschäftsbeziehung
Die Begründung einer Geschäftsbeziehung zwischen einem Verpflichteten und seinem Kunden war bereits nach der fünften Geldwäscherichtlinie (und auch nach dem deutschen GwG) einer der wichtigsten Tatbestände, der Sorgfaltspflichten für den geldwäscherechtlich Verpflichteten auslösen konnte.
Der Begriff der Geschäftsbeziehung hat durch die AML-VO eine Anpassung erfahren. Diese wird zukünftig gem. Art. 2 Abs. 1 Nr. 19 AML-VO als „eine geschäftliche, berufliche oder gewerbliche Beziehung, die mit den gewerblichen Tätigkeiten eines Verpflichteten in Verbindung steht, die zwischen einem Verpflichteten und einem Kunden […] begründet wird“ definiert. Diese Definition schränkt den Anwendungsbereich scheinbar ein, da nun erstmals explizit die Verbindung „zwischen […] einem Verpflichteten und einem Kunden“ in die Definition aufgenommen wurde. Tatsächlich dürften sich hierdurch jedoch kaum Änderungen ergeben, da schon nach den Auslegungshinweisen der BaFin lediglich die „Gesamtheit der vom Vertragspartner (bzw. Kunden) genutzten bzw. dem Vertragspartner zur Verfügung stehenden Leistungen und/oder Produkte“ (AuA GwG, Ziff. 4.1) umfasst waren. Eine Anwendung auf dritte Personen findet danach auch nach der geltenden Rechtslage nicht statt.
Entscheidend dürfte sowohl nach der bisherigen als auch nach der neuen Rechtslage sein, dass die Beziehung „unmittelbar in Verbindung mir den geschäftlichen oder beruflichen Aktivitäten der Verpflichteten“ steht und „auf einer unmittelbaren Vertragsbeziehung zu Kunden“ beruht (AuA GwG, Ziff. 4.1). Keine Geschäftsbeziehungen dürften damit auch nach der neuen Definition solche Beziehungen darstellen, die ganz allgemein der Fortführung des Betriebs dienen, wie es bei Verträgen mit Stromversorgern oder IT-Dienstleistern der Fall ist.
Gelegentliche Transaktionen
Finden Transaktionen außerhalb einer Geschäftsbeziehung statt (bei deren Begründung der Verpflichtete ja ohnehin zur besonderen Sorgfalt verpflichtet ist), ist der Verpflichtete nur in bestimmten Fällen zur Durchführung der Sorgfaltspflichten verpflichtet. Dabei handelt es sich um Fälle, die besonders typisch oder anfällig für Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung sind. In diese Fälle der gelegentlichen Transaktionen ist mit der Novelle der AML-VO Bewegung gekommen: Nur wenige Tatbestände sind gleich geblieben, Vieles hat sich geändert.
Geldwäscherechtlich Verpflichtete müssen zukünftig gem. Art 19 Abs. 1 lit. b AML-VO bei gelegentlichen Transaktionen bereits ab einem Schwellenwert von 10.000 Euro – und nicht wie bisher ab 15.000 Euro (vgl. § 10 Abs. 3 Nr. 2b GwG) – allgemeine Sorgfaltspflichten durchführen. Bei Transaktionen von Kryptowährungen ist unverändert ein Schwellenwert von 1.000 Euro vorgesehen, allerdings erweitert Art. 19 Abs. 3 lit. a AML-VO die Pflicht zu Durchführung allgemeiner Sorgfaltspflichten auf sämtliche Transaktionen von Kryptowerten-Dienstleistungs-Anbieter; zuvor wurde nur die Übertragung von Kryptowerten erfasst. Damit wird der Anwendungsbereich nicht unbedingt erweitert, allerdings bleibt der europäische Gesetzgeber hier durch die Verknüpfung mit dem des dank der Markets in Crypto Assets Regulation (MiCAR) weit geltenden Begriffs der Kryptowerte-Dienstleistungen seiner Linie treu, den Begriff der Kryptowerte zu harmonisieren. Zusätzlich gelten vereinfachte Sorgfaltspflichten bei allen Transaktionen durch Kryptowerte-Dienstleister unter 1.000 EUR, infolgedessen der Kunde mindestens identifiziert und die Identität des Kunden verifiziert werden muss.
Interessante Änderungen ergeben sich auch für Transaktionen in Bargeld. Nach bisheriger Rechtslage löst die Annahme von Bargeld, unabhängig vom Betrag, stets die Pflicht zur Durchführung allgemeiner Sorgfaltspflichten für geldwäscherechtlich Verpflichtete aus (vgl. § 10 Abs. 4 GwG), gleiches gilt für die Annahme von Bargeld durch Güterhändler bei hochwertigen Gütern ab 2.000€ und bei sonstigen Gütern ab 10.000€ (vgl. § 10 Abs. 6a GwG). Für die Annahme von Bargeld wird hingegen nun ein Schwellenwert eingeführt. Gem. Art. 19 Abs. 4 AML-VO haben alle Verpflichteten zukünftig bei Transaktionen in Bar ab einschließlich 3.000 Euro vereinfachte Sorgfaltspflichten durchzuführen. Zudem wird eine Obergrenze für Barzahlungen i.H.v. 10.000 Euro eingeführt, wobei den Mitgliedstaaten eingeräumt wird, eine niedrigere Obergrenze festzulegen; bereits bestehende niedrigere Obergrenzen auf nationaler Ebene behalten ihre Gültigkeit.
Aus dem neu eingeführten Schwellenwert folgt, dass für Transaktionen in bar, die den Schwellenwert von 3.000 Euro nicht überschreiten, künftig nur dann Sorgfaltspflichten durch Verpflichtete durchzuführen sind, wenn ein Verdacht auf Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung vorliegt. Art. 19 Abs. 2 AML-VO stellt durch den Verweis auf Art. 3 Nr. 9 der GeldtransferVO klar, dass es sich bei Geldtransfer, also zumindest teilweise auf elektronischem Wege durchgeführte Transaktionen, nicht um Bargeldzahlungen i.S.v. Art. 19 Abs. 4 AML-VO handelt und hält für diese am bisherigen Schwellenwert von 1.000 Euro fest.
Für all diese Tatbestände gilt: Sie kommen nur zur Anwendung, wenn sie außerhalb einer Geschäftsbeziehung, also eben „nur gelegentlich“ stattfinden. Handelt es sich um regelmäßige und/oder dauerhafte Tätigkeiten, fallen sie bereits unter den Tatbestand der Begründung einer Geschäftsbeziehung.
Sonstige Tatbestände
Durch die AML-VO wird die grundsätzliche Pflicht, allgemeine Sorgfaltspflichten bei Verdacht auf Geldwäsche oder Terrorismus-Finanzierung durchzuführen (Art. 19 Abs. 1 lit. d AML-VO), nicht berührt. Allerdings werden zahlreiche Auslösetatbestände neu eingeführt oder modifiziert.
Gänzlich neu ist, dass die Gründung einer juristischen Person (also einer Gesellschaft wie einer GmbH oder einer Aktiengesellschaft), die Errichtung einer Rechtsvereinbarung oder die Übertragung von Eigentumsanteilen allgemeine Sorgfaltspflichten für Verpflichtete auslösen. Bei Letzterem wird der Kreis der Verpflichteten jedoch auf Verpflichtete i.S.v. Art. 3 Nr. 3 lit. a-c AML-VO beschränkt. Danach müssten zukünftig allgemeine Sorgfaltspflichten beispielweise durch einen Notar beim Erwerb einer juristischen Person durchgeführt werden. Zwar sind insbesondere Notare und Rechtsanwälte bereits heute Verpflichtete i.S.d. GwG, jedoch waren sie zu allgemeinen Sorgfaltspflichten nur beim Eingreifen anderer Auslösetatbestände verpflichtet. Noch unklar ist nach derzeitigem Stand jedoch der genaue Anwendungsbereich des Tatbestands: Zu allgemeiner Sorgfalt verpflichtet sind nämlich nur diejenigen Verpflichteten, die an einem solchen Geschäft „beteiligt“ sind. Ob dies sämtliche Verpflichtete umfasst, die an dem Geschäft mitwirken oder lediglich diejenigen, deren Beteiligung für die wirksame Durchführung des Geschäfts erforderlich ist oder ob ein sich ein Mittelweg zwischen diesen Varianten durchsetzt, wird sich zeigen müssen.
Die bisherige Pflicht zur Durchführung allgemeiner Sorgfaltspflichten bei Zweifeln an der Richtigkeit der Daten zur Identität des Vertragspartners, seines Vertreters oder der Eigentümer einer Gesellschaft wird durch Art. 19 Abs. 1 lit. e AML-VO auf sämtliche Identifikationsdaten aller Personengruppen ausgeweitet und damit vereinheitlicht.
Die AML-VO ergänzt in Art 19. Abs. 1 lit. f einen neuen Auslösetatbestand, der die Durchführung allgemeiner Sorgfaltspflichten vorsieht, sofern Zweifel daran bestehen, ob es sich bei der Person, mit der interagiert wird, um denjenigen Kunden oder diejenige Person handelt, die befugt ist, im Namen des Kunden zu handeln. Es bedarf an dieser Stelle einer Klarstellung durch die Aufsichtsbehörden, wie die Zweifel auszulegen sind, um als Auslösetatbestand zu gelten.
Eine strukturelle Veränderung gibt es ferner für Güterhändler, Kunstvermittler und Kunstlagerhalter. Für sie werden nach der derzeitigen Rechtslage allgemeine Sorgfaltsmaßnahmen nur oberhalb gewisser Schwellenwerte ausgelöst (vgl. § 10 Abs. 6a GwG). Diese sind bisher als geldwäscherechtlich Verpflichtete erfasst; allein die Pflicht zur Durchführung der allgemeinen Sorgfaltspflichten ist schwellenwertabhängig. Die Festlegung der Schwellenwerte bei Güterhändlern, Kunstvermittlern und Kunstlagerhalter erfolgt in der AML-VO jedoch nicht in den Auslösetatbeständen, sondern bereits in der Definition ihrer Verpflichteteneigenschaft. Das führt dazu, dass die Eigenschaft als Verpflichteter erst dann begründet wird, wenn diese Schwelle überschritten wird. Dies hat durchaus spürbare Folgen:
Bisher können für Güterhändler, Kunstvermittler und Kunstlagerhalter unterhalb des Schwellenwertes als Verpflichtete allgemeine Sorgfaltspflichten dadurch ausgelöst werden, dass bspw. eine verdächtige Transaktion getätigt wird. Zukünftig ist das nicht mehr der Fall.
Eine entsprechende Kopplung der Verpflichteteneigenschaft – und nicht des Auslösetatbestands – an den Schwellenwert ist zukünftig auch für Immobilienmakler vorgesehen.
Für Glücksspielbetreiber gilt weiterhin ein Schwellenwert von 2.000 EUR für die Durchführung von allgemeinen Sorgfaltspflichten. Neu ist, dass Online-Glückspiele nicht nur nicht mehr vom Anwendungsbereich ausgenommen werden – wie es § 10 Abs. 5 S. 1, 2. HS GwG vorsieht – sondern u.a. ausdrücklich als Tätigkeiten, die mit höheren Risiken verbunden sind, angenommen werden. Damit können Mitgliedsstaaten nicht abweichend von der AML-VO beschließen, alle oder einige der Anforderungen der Verordnung nicht auf sie anzuwenden. Eine Ausnahme davon gilt lediglich für Online-Glücksspieltätigkeiten, die vom Staat verwaltet werden, sei es durch die direkte Erbringung dieser Dienste oder durch die Regelung der Art und Weise, wie diese Glücksspieldienste organisiert, betrieben und verwaltet werden (s. auch ErwG 63 AML-VO).
Agenten und selbstständige Gewerbetreibende, die E-Geld ausgeben (bisher § 10 Abs. 7 GwG) sind dahingehend nicht durch die AML-VO erfasst und mithin zukünftig gänzlich aus dem Kreis der geldwäscherechtlichen Verpflichteten entlassen.
Nicht neu ist, dass die Kunden der Verpflichteten geldwäscherechtlich als Zielobjekt der vorzunehmenden Sorgfaltspflichten einzuordnen sind. Allerdings definiert die AML-VO erstmalig den Begriff des Kunden in Art. 19 Abs. 6 AML-VO. Damit wird bspw. klargestellt, dass bei Immobilienmaklern beide Parteien der Transaktion als Kunde zu verstehen sind. Der dort normierte Katalog ist jedoch nicht als Erweiterung der Pflichten und somit als zusätzliche Belastung für geldwäscherechtlich Verpflichtete zu verstehen, vielmehr wird der Auslegungsspielraum für Aufsichtsbehörden deutlich begrenzt und Rechtssicherheit geschaffen.
Nach geltendem Recht sind Versicherungsvermittler gem. § 2 Abs. 1 Nr. 8 GwG – mit gewissen Ausnahmen – geldwäscherechtliche Verpflichtete; von der AML-VO werden sie als solche nicht mehr erfasst. Sie gelten somit nur noch dann als Verpflichtete im Sinne der Verordnung, wenn sie gem. Art. 2 Abs. 1 Nr. 6 lit. c AML-VO gleichzeitig als Finanzinstitut einzuordnen sind. Erheben sie jedoch keine Prämien oder Beträge, die für den Kunden, den Versicherungsnehmer oder den Begünstigten der Versicherungspolice bestimmt sind, sind sie auch nicht in der Lage, eine sinnvolle Sorgfaltsprüfung durchzuführen oder verdächtige Transaktionen aufzudecken und zu melden. Dies hat der europäische Gesetzgeber erkannt und sieht für diesen Fall eine Ausnahme von der Einordnung als Finanzinstitut mit der Folge vor, dass die Eigenschaft als geldwäscherechtlich Verpflichteter entfällt.